Cercle Paul Diel

Suisse Romande

 

Presseschau

Für Paul Diel geht unsere Spiritualität zurück auf die vitalen Impulse der Bakterie

(Pour Paul Diel, notre spiritualité remonte aux pulsions vitales des bactéries)

Presseartikel von Martine Castello,

veröffentlicht in der Monatsschrift Nouvelles Clés (Neue Schlüssel) - Urheberrechte bi Caps © 2009

Mit freundlicher Genehmigung (http://www.nouvellescles.com)

Übersetzung in die deutsche Sprache / Traduction : CPDSR © 10.2009 & 03.2010 - Urheberrechte bi Caps / Droits réservés.

Paul Diel (1893-1972) ist der sensibelste und dennoch der am wenigsten bekannte Psychologe aus dem Vorkriegs-Österreich.

Dieser Autodidakt, den das Leben niemals verschont hat, hat eine erstaunliche Fähigkeit zum Mitempfinden. Er bewundert Freud, ist aber nicht mit ihm einverstanden. Dass die Sexualität ein wesentlicher Antrieb ist, na klar, aber man sollte eine entsprechende Bedeutung auch der folgenden besonderen Fähigkeit des Menschen beimessen: der Imaginationskraft, dank derer wir andere Welten herbeiwünschen und sogar buchstäblich erfinden können.

Das macht uns geradezu zu einer Art von Göttern… bis hin zu der Vorstellung, dass diese Imaginationskraft ihren Ausgang beim einfachen Reflex des Überlebens einer Bakterie nimmt!

“Der wesentliche Grund der Verirrungen – geradezu des Entsetzens – unserer augenblicklichen Epoche besteht in dem Konflikt zwischen den Religionen und den (Natur-) Wissenschaften.“

Liegt es genau an diesem Versuch Paul Diels, einen Weg jenseits dieses Antagonismus zu eröffnen, dass er so wenig anerkannt wurde ?

Auf den ersten Blick erscheint er fast als Naturwissenschaftler, so sehr glaubt er an deren Wissenschaft und denkt, dass die Psychologie denselben Grad an Objektivität und Kraft erlangen könne.

In seinen Behandlungen appelliert er an die « Introspektion » (Innenschau) und versucht, unser aller Fähigkeit der Selbst-Observation in den Rang einer wissenschaftlichen Methode zu erheben.

Man kann ihn auch als Materialisten bezeichnen, denn nach seiner Auffassung gibt es keinen Geist ohne Materie. Der Geist hat nichts Transzendentales, sondern er ist eine Emanation (ein Ausfluss) der Materie und hat sich im Verlaufe der Evolution entwickelt in Interaktion mit dem jeweiligen Milieu.

Von Anfang an bekommt die Fähigkeit bereits in den elementarsten Organismen auf das Umwelt - Milieu zu reagieren (Effekt Reizes - Reaktion) einen Sinn: die Amöbe verschlingt den fremden Körper, der sie damit ernährt und verschließt sich vor dem, der ihr schaden würde.

Für ihn geht der Ursprung des Triebs zurück auf die Fähigkeit unserer Vorfahren, eben jene primitiven Organismen, auf das Milieu zu reagieren, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen.

Das erste dieser Bedürfnisse ist der Selbsterhalt, ein Trieb, den Diel “materiellen Impuls (Anstoß)“ nennt. Das zweite Bedürfnis ist die Arterhaltung: „der sexuelle Impuls“. Das dritte ist dann der „Evolutionsdrang“, der die Arten dazu drängt, sich zu transformieren unter dem Druck des jeweiligen Milieus, indem sie so zur Entstehung neuer Formen beitragen, sowohl auf der psychischen wie auf der physischen Ebene.

Im Verlauf der Zeiten, erweitern sich diese drei ursprünglichen Impulse. So wird beim Menschen der materielle Antrieb zu einem sozialen, der Sexualtrieb gestaltet sich zu affektivem Verhalten und der evolutionäre Impuls wandelt sich zu spirituellen Fähigkeiten.

Die letztgenannten geistigen Impulse werden dann sogar vorherrschend und nehmen die Form dessen an, was Diel den „ausschlaggebenden Trieb“ nennt im Vergleich zu den anderen vielfältigeren Antrieben, die eher materiell sind und von sozialen wie affektiven Regungen gespeist werden.

Paul Diel erklärt somit, dass sich der reflexartige Akt der einfacher gebauten Wesen im Verlauf der Evolution verlangsamt hat.

Es hat sich ein zeitlicher Abstand entwickelt zwischen Reiz und Reaktion, wodurch die Information zurückgehalten wurde, aber gleichzeitig die Energie im Gedächtnis bewahrt werden konnte in Form des emotional Gefühlten. Hinzu kamen dann bei den Wesen, deren Sinnesorgane (für die Reizaufnahme) entwickelt waren, mentale Bilder und Vorstellungen. Durch diesen Prozess hat sich die Realität schrittweise zu einer inneren Welt gewandelt mit einem besonderen Eigenleben.

Auf diesem Wege hat sich nach Paul Diel die menschliche Psyche entwickelt nebst ihrem blühendsten Zweig, nämlich der Vorstellungskraft (Imagination) – jener Fähigkeit, sich die äußere Welt geistig vorzustellen , um dann in ihr handeln zu können.

Nach seiner Auffassung müssen unsere vielfältigen Triebe harmonisiert werden durch unseren Hauptimpuls, sonst wäre ein Teil von uns nie zufrieden zu stellen.

So wäre z. B. der rein berufliche Erfolg zu teuer bezahlt, wenn die Erreichung dieses Ziels zu kostspielig finanziert und sein affektives Leben dafür geopfert hätte; ebenso können die rein sexuellen Eroberungen mit einem persönlichen Ekel enden; und schließlich würde auch ggf. die rein geistige Liebe zum Scheitern führen in Form einer Art Austrocknung (der Lebensenergie).

Aber diese erforderliche Harmonisierungsleistung um den wesentlichen Antrieb herum verlangt uns viel ab und wir erfinden Ausreden, um uns dem zu entziehen. So entstehen Defizite, letztlich aus Deformierungen unserer Qualitäten.

So verbirgt sich hinter der Eitelkeit, die letztlich einer Selbstüberschätzung gleichkommt, die Selbstachtung; hinter dem Schuldgefühl, die eine Unterschätzung des Ich bedeutet, die Demut; hinter der Sentimentalität, die letztlich auf der Überschätzung der anderen beruht, steht die Liebesfähigkeit (anderen gegenüber) und schließlich steht hinter dem Schuldgefühl, und der Unterschätzung der anderen letztlich die Toleranz und das Mitgefühl.

Wenn man der Piste folgen will, die Paul Diel eröffnet hat, dann sollte man eine Liste der eigenen Fehler aufstellen und dann jeweils die Qualitäten, die dahinter verborgen sind, für sich aufdecken.

Die erste Bedingung der Vervollkommnung besteht (für ihn) darin, unseren wesentlichen Antrieb zu erkennen.

Wie soll das gehen?

Die Originalität von Paul Diel bestand darin, die sog. Introspektion wieder einzuführen, die er Délibération (Nachdenken) nennt als Weg zur Selbsterkenntnis.

Um dabei Illusionen zu vermeiden, schlägt er vor, die Vorstellungskraft unter die Kontrolle von zwei Wächtern zu stellen: den intuitiven Geist und den praktischen Intellekt.

Der erstere, der vom tierischen Instinkt abgeleitet ist, sollte „erschnüffeln“, was zur Befriedigung unseres Triebes nötig ist, dagegen erfasst der Intellekt die Realität.

Wenn es zwischen Trieb und Realität eine zu große Kluft gibt, oder wenn der Preis, der für die Umgestaltung der Realität zu hoch erscheint, muss der Trieb sozusagen aufgelöst werden durch eine Anpassungsleistung, was aber keine Resignation sei, denn die so freigesetzte Energie lasse dann die Lebenskraft zu neuen Projekten fließen.

Auf die metaphysische Frage nach dem Lebenssinn antwortet Diel, dass es genügt, jenen Lebensimpuls genau zu beobachten und sich die Frage zu stellen, was dieser seit seiner ersten Regung bedeutete. Die Antwort heißt, ganz einfach: weiterleben!

Folglich muss sich das Lebewesen ernähren, sich fortpflanzen und sich an bestens an das Milieu und die Umwelt anpassen

Die reflexartigen Prozesse ließen also 3 Impulse entstehen in nutritiver sexueller und evolutionärer Form, sie sich beim Menschen verwandeln in einen sozialen i.S. von gesellschaftlichen, affektiven und existenziellen Grundtrieb.

Paul Diel gibt zu, dass die Regungen der Ausdruck einer psychischen Kraft sind, deren Ursprung wir nicht kennen, aber ebenso wenig ist ja z. B. die Vorstellung von Kraft in der Physik durch irgendeine Erklärung bestätigt. Immerhin bedarf es keiner Kenntnis ihres Ursprungs , um sie zu nutzen.

Diese Lebenskraft ist Teil eines Mysteriums, das weder mit „absoluter Materie“ noch mit „absolutem Geist“ zu tun hat, sondern „einfach mit den Grenzen des menschlichen Geistes“.

Mythen und Religionen wurden erfunden durch die Imaginationskraft des Menschen, um die Angst zu überwinden, welche diese Grenze letztlich auslöst.

Nichts kann den Höhenflug verhindern, um die Grenzen von Raum und Zeit zu überwinden, sich in die Unendlichkeit zu verlieren und das Undefinierbare konkretisieren zu wollen - aber andererseits kann auch nichts dazu führen, dass die so erreichte Antwort eine echte Tragweite besitzt.

Kurz gesagt, der Mensch erfindet Gott.

Das klingt nach reinem Materialismus, aber dennoch konnte Diel trotz der Unterstützung durch Einstein nie ins Collège de France eintreten, da sich die dortigen Materialisten dagegen wehrten und ihn für zu spiritualistisch hielten!

Diese Auffassung Diels kommt daher, dass es für ihn keinen Geist ohne Materie gibt. Die Welt beginnt mit dem Leben und das Leben beginnt mit der Welt. „ Leben ist eine vom Geheimnis strukturierte Erscheinung, zu welcher menschliche Geist gehört “, schreibt er.

Diese Erscheinung ist zugleich innerlich und äußerlich, denn „Psyche , Soma und Ambiance entwickeln sich in ständigem Austausch“ . Die (genannten) drei grundlegenden Impulse, die das Mysterium ausmachen, sind durch die Tiefenpsychologen erforscht worden: die Gesellschaftlichkeit durch Adler, die Sexualität durch Freud und die geistigen Vorstellungen durch Jung.

Aber Diel geht noch drüber hinaus, indem er versucht, diese 3 Faktoren harmonisch zu verbinden.

Denn jegliche Angst, jegliches Unwohlsein der Menschen rühren seiner Auffassung nach aus einem Mangel an Harmonisierung zwischen den diversen (materiellen und sexuellen) Trieben und dem wesentlichen Antrieb, jener durch die Evolution erweiterten Form, als diese das humane Stadium erreicht hatte, nämlich jener.

Impuls, der uns - ausgehend vom über-Ich - die Lust eingibt, die Materie zu spiritualisieren und sie zu Leit - Werten hin zu führen wie das Gute, das Gerechte, das Schöne.

Intuitiv fühlen die Menschen die Befriedigung und die Freude voraus, welche ihnen dieses Vorgehen bringen wird.

Und auch wenn Gott vor allem ein mythisches Symbol ist, bleibt dennoch nichts weniger als das was Religionen und Mythen an Ausdruck der Imagination ebendieser Intuition darstellen.

Aber aus dem Animalischen hervorzutreten, ist nicht einfach.

Der menschliche Geist, noch immer hin – und her gerissen zwischen den materiellen und geistigen Impulsen des Unterbewussten, denkt, er müsse wählen zwischen dem Himmel und der Erde anstatt für sich diese beiden Pole in Einklang zu bringen.

So fällt er von einem Extrem ins andere, erfindet falsche Motivationen, die dann alle seine Fehler und alle seine Neurosen verursachen.

Eher sollte er - und das wäre dann der Gegenstand einer DIEL’SCHEN Behandlung – einen konsequenten Egoismus entwickeln, der unter seiner gesunden Form, seine höchste Befriedigung in der Freude bringenden Vereinigung mit dem ganzen Leben und mit dem anderen (Menschen) fände.

Obwohl somit Paul Diel von einer materialistischen Sichtweise der Realität ausgeht, führt er uns also zu einer Sublimierung der Materie.

Aber die Spiritualisten, die durch die Auffassung von Transzendenz als reine Symbolik entsetzt waren, wollten ihn ebenfalls nicht am Collège de France, da sie ihn für zu materialistisch hielten!

So, zurückgewiesen von beiden Seiten, wäre die Frage, ob Paul Diel seine Vorstellungen auf einem dritten Weg durchgesetzt hätte!

Martine Castello © Nouvelles Clés, 2009

Übersetzung in die deutsche Sprache / Traduction : CPDSR © 10.2009 & 03.2010 -

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