Cercle Paul Diel

Suisse Romande

 

Biographie von Paul Diel

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Paul Diel wird in Wien am 11.7.1893 geboren, seine Mutter Marguerite ist Französischlehrerin, sein Vater unbekannt.

Das Kind wird zunächst in eine Pflegefamilie gegeben, dann mit 4 Jahren in ein religiöses Waisenhaus in der Nähe von Lainz, welches in der Erinnerung Diels wie ein Haus der Henkersknechte erscheint.

Seine Mutter besucht ihn zwar so oft sie kann, aber eben nicht oft genug. Dennoch vermeidet dieses sich schrecklich allein gelassen fühlende Kind sowohl Verzweiflung als auch Auflehnung dadurch, dass es sich an die innere Gewissheit klammert, dass eben diese Mutter, deren Liebe sein einziger Halt ist, ihn eines Tages abholen käme.

Mit 11 Jahren kommt er aufs Gymnasium und verschlingt gierig zahlreiche Abenteuerromane, deren Helden, Modelle von Mut und Durchsetzungskraft seine Phantasie beflügeln.

Im Juni 1906, kurz vor seinem 13. Lebensjahr, verwirklicht sich endlich sein Traum: seine Mutter entreißt ihn dem Waisenhaus.

Der Jugendliche wird in der Familie eines Kameraden untergebracht, bevor er von einem mit seiner Mutter befreundeten Anwalt betreut wird, der ihn wieder an anderer Stelle unterbringt.

Da er nur die Themen bearbeitet, die ihn interessieren, fällt er durch die Abiturprüfung. Und der Studien überdrüssig, gelingt es ihm, eine Anstellung als Hilfsbuchhalter zu finden mit Hilfe seines Betreuers, wird aber als Angestellter einige Monate danach als untüchtiger Angestellter entlassen. Da er seinen Betreuer nicht enttäuschen will, verschweigt er es ihm, verlässt die Unterbringung und findet sich auf der Straße wieder.

Im Jahre 1912, also mit 18 Jahren, kehrt er zu seinem Betreuer zurück und besteht nun das Abitur mit Auszeichnung. Da er dennoch nicht in der Lage ist, an ihn gestellte Aufgaben zu erledigen, weigert er sich, sich an der Universität einzuschreiben und wendet sich der Poesie zu.

Sein Betreuer vermittelt ihm einen Verwaltungsposten in Hitzing, aber wieder wählt Diel „die Freiheit“ für sich und kehrt zu seinem Leben am Rande der Gesellschaft zurück.

Im Jahre 1914 wird Paul Diel schwer verletzt anlässlich eines Duells aufgrund einer Beleidigung durch einen Studenten, dennoch weigert er sich, sich behandeln zu lassen, wird aber dann doch als Notfall in die Klinik eingewiesen aufgrund einer Infektion (Blutvergiftung).

Zu Beginn dieses Sommers als Ärzte schon einberufen waren, wird Diel von einem inkompetenten Arzt operiert, so dass danach noch mehrere Eingriffe nötig werden.

Der Klinikaufenthalt verlängert sich, den Diel jedoch nutzt, um sich ein breites philosophisches Wissen anzueignen, besonders über Kant und Spinoza. Und er schreibt nun auch Gedichte.

Dabei drängt sich ihm die für ihn immer deutlicher werdende wesentliche Frage auf, worauf nichts von dem, was er liest, eine befriedigende Antwort gibt: „Wie soll ich leben, um meine Selbstzufriedenheit zu finden?“

Erst 1 1/2 Jahre später verlässt er mit 22 Jahren die Klinik mit gelähmtem Ellenbogen. Da er dadurch für den Militärdienst untauglich ist, kehrt er ins zivile Leben zurück. Und weil er keinen Sport betreiben kann, entdeckt er für sich das Theater und entschließt sich dazu, mehr und mehr Poetisches zu schreiben.

Paul Diel wird sogar Schauspieler und kann damit sein Leben fristen. Seine Werke zeugen bereits von seinen wichtigsten Anliegen: Sinn des Lebens, Liebe, Heiligkeit, Dualität Geist-Materie, Gegensatz zwischen äußerem Erfolg und wesentlichem (innerem) Antrieb.

Nach und nach erwirbt er so einen Status als Professioneller, erscheint öfters oben auf den Plakaten und vereinigt eine Theatertruppe, die allerdings leider nach einem Jahr mangels Geld aufgelöst werden muss.

Diel lässt sich daraufhin in der Provinz engagieren und führt sein literarisches Werk fort: Kunst des Dramas, Theaterstück, Roman, Gedichte…

Im Jahre 1922, auf einer Tournee durch Norditalien, begegnet er einer jungen Französin, Jane Blum. Beide verlieben sich ineinander und beschließen, sich nicht mehr zu trennen. Nach einer anfänglichen ärmlichen Phase gelingt es dem Paar, Paris zu erreichen und zu heiraten.

Aber Paul Diel wird abgelehnt aufgrund seiner Herkunft, er kann seine Theaterstücke nirgends unterbringen und zudem erkrankt seine Frau.

So kehrt das Paar nach Österreich zurück. Diel trifft dort auf moderne Psychologen, insbesondere Alfred Adler. Seine späteren Lieblingsthemen tauchen nun auf wie Trieb, unbewusste Motivation, Eitelkeit und Übersteigerung, Suche nach innerer Harmonie.

Die Lage des Paares in Österreich ist nicht besser als in Paris. Während Paul Diel einen Posten als Versicherungsagent erlangt, kehrt seine Frau nach Paris zurück und lebt bei einer Freundin. Trennungen und Wiederbegegnungen folgen aufeinander bis 1930, als Jane Diel ihren Mann wieder trifft.

Nach Adler hat Diel dann 1928 Sigmund Freud entdeckt, dessen Auffassung von Ablehnung er erweitert, um sie in seine eigene Sicht einzugliedern. Anfang der Dreißiger Jahre, beginnt Paul Diel nach Besuch einiger Psychologie-Kurse mit der deutschen Abfassung seines ersten Psychologischen Werkes: „Phantasie und Realität“, worin schon die Grundlagen seiner späteren Psychologie der Motivation zu finden sind: introspektives Vorgehen, Trieb als zentrales Antriebselement, imaginative Übersteigerung, Schuld, Sublimierung. Er hat somit seinen eigenen Weg gefunden und gibt die künstlerische literarische Betätigung auf.

Das Manuskript „Phantasie und Realität“ ist 1933 beendet und wird an mehrere Herausgeber in Österreich, Deutschland und der Schweiz geschickt.

Aber da sich die politische Situation verschlechtert, verzögern sich die Antworten oder fallen negativ aus. Das Werk wird als „zu weit entfernt von den aktuellen Problemen“ angesehen und selbst Freud weigert sich aus angeblicher Überlastung, den Text eines Unbekannten zu lesen.

Im Jahre 1934 bricht der Krieg in Wien aus.

Diel, der gerade sein zweites psychologisches Werk „Geist und Güte“ begonnen hat, verliert seinen Posten als Versicherungsvertreter , wird krank und befindet sich wieder im Krankenhaus.


Im Jahre 1935 sendet er an Albert Einstein sein Manuskript „Phantasie und Realität“, das jener voller Bewunderung nicht zögert zu unterstützen. Daraus entwickelt sich ein Briefwechsel über 20 Jahre zwischen den beiden Männern.

Albert Einstein (1879-1955)

[Fotografie: Deutsches Bundesarchiv (German Federal Archive), Bild 183-19000-1918]


Auf Einsteins Empfehlung hin nimmt Diel Kontakt auf zu dem Philosophen Professor Moritz Schlick, dem Begründer des Wiener Zirkels des Neopositivismus. Schlick ist begeistert von dem Manuskript Diels und schlägt ihm vor, ihm bei einer Publikation behilflich zu sein.

Die beiden Männer haben ein Treffen für den 22. Juni 1936 vereinbart, um das letzte Vorgehen bei den Verlegern zu besprechen. Aber noch am selben Abend wird Schlick ermordet, dessen (wohlwollende) Bescheinigung als Beilage zum Manuskript von Diel noch in einer seiner Taschen aufgefunden wird.

Moritz Schlick (1882-1936) [Fotografie: Theodor Bauer / Österreichische Nationalbibliothek]


Trotz der Hilfe Einsteins gelingt es auch weiterhin Paul Diel nicht, sein Werk zu publizieren. Seine Fachkompetenz wird indessen von Professor Emil Froeschels erkannt, der am Zentralkrankenhaus von Wien arbeitet und wo Paul Diel 1936 als Psychologe seinen Dienst antreten kann. Dort erfährt er seine ersten beruflichen Erfolge und bezieht sogar Froeschels in seine Analysen mit ein.

Emil Froeschels (1885-1972)

[Fotografie: http://www.acsu.buffalo.edu/~duchan/history_subpages/emilfroeschels.html]


Im Jahre 1938 fallen die deutschen Truppen in Österreich ein und besetzen das Land. Das Ehepaar Diel, das finanziell immer noch schlecht gestellt ist und als antinationalsozialistisch gilt, emigriert nach Frankreich als politische Flüchtlinge und kann nur einige persönliche Dinge mitnehmen wie die beiden Manuskripte „Phantasie und Realität“ und „Geist und Güte“ sowie die (damals gesetzlich nur noch erlaubten) 30 Mark.


Im Jahre 1939 erhält Paul Diel nun mit 45 Jahren einen Posten als Psychologe im Dienst von Professor Henri Claude im Hospital Sainte-Anne, wieder dank der Empfehlungsschreiben von Einstein und diesmal noch Froeschels. Aber seine Theorien werden sind nun nicht mehr gefragt und so verschlechtert sich seine Lage.

Im selben Jahr bricht der Zweite Weltkrieg aus.

Henri Claude (1869-1946)


Diel engagiert sich in der französischen Armee und wartet auf seinen Einberufungsbefehl, arbeitet währenddessen weiter am Hospital Sainte-Anne, jetzt mit Unterstützung durch die Physikerin Irène Joliot-Curie.

Irène Joliot-Curie (1897-1956) [Fotografie : http://www.nobelprize.org]


In dieser Zeit redigiert er mithilfe der Förderung durch Professor Laignel-Lavastine, dem Nachfolger von Henri Claude, das Manuskript „Therapie“ (Thérapie), diesmal auf Französisch, ein Exposé über die Behandlung von Neurosen und Psychosen.

Maxime Laignel-Lavastine (1875-1953)

[Fotografie: © BIUM (Paris) / http://web2.bium.univ-paris5.fr/img/img_rech.htm]


Infolge der deutschen Militäroffensive im Mai 1940, findet sich Paul Diel unter den Ausländern mit deutscher Herkunft wieder, die in der Nähe von Paris im Stadion von Colombes erfasst wurden auf das Dekret der Vichy-Regierung hin.

Einige Tage später „befreit“ ein neues Dekret die Ehemänner von ihren französischen Frauen. Aber unglücklicherweise ergreift Paul Diel durch Unachtsamkeit diese Chance nicht und sieht sich deportiert in das Internierungslager von Gurs im Departement Atlantische Pyrenäen. Das war zuvor eines der französischen Konzentrationslager, worüber er einen kurzen Text schreibt bezüglich der menschlichen Beziehungen, die von unwägbaren Provokationen vergiftet waren: „Der Nadelstich“ (Le Coup d'épingle).

Unter jenen unmenschlichen Bedingungen erarbeitet Paul Diel seine Schrift über die symbolische Sprache der Mythen und die psychologische Bedeutung von Gott: „Die Göttlichkeit und der Held“ (La Divinité et le Héros), was später in das Werk „Die Göttlichkeit“ (La Divinité) einbezogen wird.

1943 entwickelt er sein Exposé „Therapie“ weiter, das bald zu dem Werk „Psychologie der Motivation“ (Psychologie de la motivation) wird.

Aber dann erkrankt Diel ernsthaft.


Nach der Liberation (Befreiung vom der NS-Regime) kehrt Paul Diel nach Paris zurück und findet auch seine Frau wieder. Dort kann er erneut durch Vermittlung von Professor Joliot-Curie ins CNRS eintreten und unter der Direktion von Henri Wallon arbeiten. Im sog. psycho-biologischen Labor des Kindes wendet er seine Vorstellungen nunmehr bei Kindern und Jugendlichen an, die sich in Schwierigkeiten befinden. Daneben hat er weiterhin für 3 Jahre den Posten am Hospital Sainte-Anne und bearbeitet dabei seinen Text „Psychologie der Motivation“.

Henri Wallon (1879-1962) [Fotografie: http://hmenf.free.fr/rubrique.php3?id_rubrique=53]


Sein Posten am CNRS und mehr denn je die Unterstützung durch Einstein und Wallon — Letzterer betrachtet Diel als den vierten Psychoanalysten nach Freud, Adler und Jung — erlauben Paul Diel endlich, sein erstes Werk zu veröffentlichen: „Psychologie der Motivation“ erscheint 1948 bei den Presses Universitaires de France (PUF) in der Kollektion „Zeitgenössische Philosphie“, die von Maurice Pradines geleitet wird.

Andere Werke folgen, als Diel nun 55 Jahre alt ist. Diese erste Publikation verschafft ihm Hörer und Schüler, denen er seine Methode beibringt in Form von Therapien, Konferenzen, Seminaren und Kursen.

„Die Göttlichkeit und der Held“ teilt sich auf in „Die Göttlichkeit“ und „Der Symbolismus in der griechischen Mythologie“ (Le Symbolisme dans la mythologie grecque), die 1950 ebenfalls bei PUF und 1952 bei Payot herausgegeben werden, wobei das letztgenannte Werk lobend herausgestellt wird in einem Vorwort von Gaston Bachelard.

Weiterhin erscheinen bei Payot: „Die Furcht und die Angst“ (La Peur et l’angoisse), 1956 und dann 1961 „Die Prinzipien der Erziehung und Re-Edukation“ (Les Principes de l’éducation et de la rééducation - Neuauflage: « Éducation et rééducation »), ferner 1964 „Das Tagebuch eines Psychoanalytischen Patienten“ (Journal d’un psychanalysé), 1968 „Kurative Psychologie und Medizin“ (Psychologie curative et médecine - Neuauflage: « Culpabilité et lucidité : Le complexe et le mythe d'Œdipe ») und schließlich noch 1975 und 1983 „Der Symbolismus in der Bibel“ (Le Symbolisme dans la Bible) und „Der Symbolismus im Johannesevangelium“ (Le Symbolisme dans l’Évangile de Jean).

Paul Diel erhält einen Preis der Académie Française für den Titel „Die Furcht und die Angst“ aufgrund der Empfehlung durch André Chamson und korrespondiert mit Adolphe Ferrière, dennoch wird ihm ein Lehrstuhl am Collège de France verwehrt.

Aber im Jahre 1964 gründet er dann selbst in Paris die „Association der Psychologie der Motivation“.

Im Umbruchjahr (der Studentenrevolten) 1968, als die universitären und medizinischen Institutionen seine Arbeit geradezu verachten, gelingt es Paul Diel nicht mehr, sich bei seinen Studenten Gehör zu verschaffen.

Sein Tod am 5. Januar 1972 wird von der Öffentlichkeit nicht mehr wahrgenommen, was André Chamson in seinem Leitartikel im „Figaro“ dann bedauern wird.